THEATERSTÜCK
Mütter-Los (When the Wall Came Down)
Deutschland 1990 - nach dem Mauerfall, aber noch vor der Wiedervereinigung. Roswitha Berger ist auf dem Weg von West-Deutschland in die zusammenbrechende DDR, ihre alte Heimat. Es ist eine Fahrt in die Vergangenheit, von Unsicherheit und Ungewissheit überschattet. Anfang der 70er Jahre war ihre Flucht gemeinsam mit Mann und Baby gescheitert, sie kam ins Gefängnis, wo man ihr das Kind gewaltsam wegnahm. Nach einiger Zeit wurde sie in den Westen abgeschoben, ohne zu wissen, was mit ihrer Tochter geschehen war.
Als mit der Mauer auch die Tore zu den Staatssicherheits-Akten fielen, bekam Roswitha Berger Akten in die Hand, die das Schicksal ihrer Tochter offenlegen und von einer Zwangsadoption durch politisch zuverlässigere Eltern zeugen. Ohne sich klar zu machen, was sie am Ende ihrer Reise finden wird, setzt sich Roswitha Berger in den Zug nach Osten.
Marion Steinmann ist eine 18 Jahre junge, musikalisch hochtalentierte Frau, deren größter Wunsch es ist, ihre Begabung zum Beruf zu machen. Die sich abzeichnende Wiedervereinigung, die ihre Adoptiveltern mit Misstrauen und Argwohn betrachten, sieht sie als große Chance, ihren Traum Wirklichkeit werden zu lassen. Ein Musikstudium ohne vorgeführtes politisches Wohlverhalten, eine internationale Karriere - vielfältig sind die Möglichkeiten, die sich ihr bieten. Eines Tages erhält sie die Nachricht einer Fremden, sie möge sie doch bitte in einem Hotel aufsuchen.
Neugierig wie sie ist, geht Marion, gegen den Willen des Vaters, zu dem Treffen. Dort trifft sie auf Roswitha Berger, und deren Eröffnungen lassen die wohlgeordneten Verhältnisse Marions wie ein Kartenhaus einstürzen. Der Ost-West-Konflikt wird zur zerstörerischen Privatangelegenheit.
Mütter-Los entstand auf Englisch und wurde 1998 unter dem Titel When the Wall Came Down von der Storytellers' Theatre Company in Dublin uraufgeführt, in den Hauptrollen Ruth McCabe und Johnny Murphy. Das Stück ging anschließend auf Tournee durch Irland und Nordirland. 1999 wurde diese Produktion am English Theatre 'Friends of Italian Opera' in Berlin gezeigt. Die deutschsprachige Erstaufführung fand 2003 am Staatstheater Nürnberg statt.
Verlag Felix Bloch Erben
Berlin, 2001
PRESSESTIMMEN
"It is an accomplished and taut drama written in oblique dialogue, whose participants appear not to want to hear what the others are saying. It is about breaking down borders at several levels – political, economical, intellectual and familial."
The Irish Times, 24.01.1998
"As the old regime falls, it seems that the Wall's greatest powers has been to cordon off some painful family secrets. With its disappearance, unpleasant truths may come pouring over the border (...) Operating at full emotional throttle throughout, Ruth McCabe, as returning political refugee Roswitha, maintains a powerful integrity that the infamous wall could not."
The Times, 31.01.1998
"Ein wuchtiges, hochemotionales Thema, das die in Irland lebende (West-) Deutsche Renate Ahrens-Kramer in ihrem Einakter WHEN THE WALL CAME DOWN verarbeitet hat. Durch die fremd-vertraute englische Sprache erhält es einen ganz eigenen Blickwinkel. Bairbre Ní Chaoimh hat das vielschichtige Drama grandios umgesetzt."
Berliner Morgenpost, 26.06.1999
"WHEN THE WALL CAME DOWN ist ein politisches Stück, gerade weil es von denjenigen handelt, die in der Politik am wenigsten zu sagen haben und am meisten unter ihren Folgen leiden (...) Gut und Böse gibt es am Ende nicht; selbst Herr Steinmann, der Frau und Tochter so offensichtlich beschützen wollte, wird nicht als Schurke denunziert (...) In diesem Moment dämmert eine Erkenntnis, die in der deutsch-deutschen Sprachlosigkeit schon fast untergegangen war: dass im Geschichtenerzählen die Chance zu einer Katharsis liegt, die kein Politiker der Welt herbeireden kann." Der Tagesspiegel, 30.06.1999
"Am 22. Februar zeigte das Theater Nürnberg die deutschsprachige Erstaufführung von Renate Ahrens´ Stück MÜTTER-LOS. Das Werk setzt sich mit dem Schicksal einer Frau auseinander, deren Tochter ihr als Republikflüchtige von der DDR-Regierung kurz nach der Geburt weggenommen wurde und die sich nun auf die Reise zu ihr in den Osten begibt. Die gerade 18 Jahre alt gewordene Tochter gerät dadurch in eine Situation, in der ihre vermeintlich heile Welt ins Wanken gerät: Ein großes Plädoyer für die Dialektik der wahren und wahrhaftigen Mutterliebe ist dieses Stück, das in seiner Nürnberger Version vor allem von der Kraft und Eindringlichkeit lebt, mit der Anna-Maria Kuricová die Zerrissenheit eines Mädchens spielt, das seine Kindheit und Jugend plötzlich auf den Kopf gestellt sieht..."
Fränkischer Tag, 24.02.2003